In Funk und Fernsehen war Manfred Scharfe stets zuhause. Der NDR-Mann liebte den Kontakt zu Menschen, hatte große Sachkenntnis und besaß reichlich Organisationstalent. Am 25. April wird das umtriebige Mitglied des Vereins Niedersächsische Sportpresse 75 Jahre alt.

Manfred Scharfe 75? Wohl ein Zahlendreher in der Sturm- und Drangzeit der Fake News und Verschwörungstheorien. Aber mit Abstand betrachtet: Seine letzte Sendung („Mit 70 ist Schluss“) war schon deutlich vor der Zeit der Masken. Ebenfalls Monate zurückliegt unsere Begegnung nach dem VNS-Talk mit Ministerpräsident Stephan Weil und HSV-Legende Horst Hrubesch. Da kam er mir begeistert entgegen nach einem Abend, der fast ein Abbild war seines eigenen beruflichen Lebens zwischen Hamburg und Hannover, Sport und Politik, Spaß und Nachdenklichkeit. Auch nach über vier Jahrzehnten in Hannover ist er immer noch überzeugter Hamburger, aber auch engagierter Niedersachse.

Auf der (ehemaligen) Elbinsel Finkenwerder, sozusagen seiner Speeldeel, ist Manfred Scharfe groß geworden. Dort wo heute Airbusse gebaut werden, begann das, was andere Karriere genannt hätten. Während sein Freund Klaus Fock beim großen Hamburger SV an der Seite von Uwe Seeler stürmte, bestritt Manfred Scharfe Anfang der 1970er-Jahre 63 Spiele für den SC Sperber in der damaligen Regionalliga Nord, war aber auch als Ruderer und Leichtathlet aktiv.

Der Sprung in die Bundesliga gelang ihm als Redakteur, Reporter und Moderator des NDR, vom Rothenbaum aus schnupperte er den Duft der großen weiten Welt, Höhepunkt Olympia 1972 in München. Ab 1973 wurde er als Redakteur des NDR-Funkhauses am Maschsee zur Stimme und zum Gesicht für die „Sportschau der Nordschau“ und ungezählter Sendungen aus Niedersachsen. Doch Manfred Scharfe war weitaus mehr als der Sportreporter vor Ort – ein Vollblutjournalist, kritischer Begleiter der aktuellen Vorgänge im Land, aber auch im Funkhaus, das vor einer  Zerreißprobe stand angesichts der Frage „Drei Länder – ein Sender?“ (Logo: Verein Niedersächsische Sportpresse).

Nach dem Start von NDR 1 Radio Niedersachsen 1981 wechselte Manfred Scharfe vom Sport zum Zeitfunk, wurde Sonderkorrespondent. „Auf Achse“ zog er über die Marktplätze, berichtete für Funkbilder, Umschau und Messe-Journal, ein Vollprofi mit Profil. Ob am Mikrofon oder senderintern, seine Einschätzung war gefragt, weil er sachlich urteilte, sauber recherchierte und sich von Stimmungen oder Vorurteilen unbeeindruckt zeigte.

Er „lebte“ Teamwork, mit den „Jungs“ vom Archiv wie mit den Ü-Wagen-Besatzungen, in Redaktionsteams wie in schwierigen Konferenzen. Wenn andere sich zerrieben in Detailfragen, analysierte Manfred die Fakten und kam zu klaren Urteilen – zu denen er stand.

Vielseitigkeit und Freude am Kontakt mit Menschen

Als Organisator großer Veranstaltungen zeigte er seine Vielseitigkeit und Freude am Kontakt mit Menschen. Unvergessen ist mir der Wandertag in Bleckede, als sich über 5000 Senioren bei hochsommerlichen Temperaturen stundenlang über die Elbdeiche bewegten, um dann zu erfahren, dass der Abwaschdienst ausgefallen war. Wie Manfred die erhitzten Gemüter an der Gulaschkanone charmant und souverän über Stunden in „Contenance“ brachte, während die Freiwillige Feuerwehr die Teller zum Abwasch in den Nachbarort brachte – ein Meisterwerk an „Hörerbetreuung“.

Ebenso souverän amtierte Manfred Scharfe als kommissarischer Hörfunkchef am Maschsee. Dank sachlicher Analyse aktuellen Geschehens und alltäglicher Konflikte sowie seiner ausgezeichneten Kontakte war diese Zeit des Interregnums ein Glücksfall oder wie es eine in ungezählten Reformen gestählte Kollegin ausdrückte: „Er war der entspannteste Hörfunkleiter, den es jemals gab.“

Geradezu auf den Leib geschneidert war ihm die Aufgabe als Leiter des „Nordostfensters“ von NDR 1, jener Region zwischen Stade und Gorleben, in der die Unterscheidung zwischen Hamburgern und Niedersachsen schwer fällt. Kurzum: Manfred Scharfe hat in viereinhalb Jahrzehnten Funk und Fernsehen so ziemlich alles gemacht, was zwischen Nagra und digitalem Selbstfahrerstudio eine Rolle spielte. Er sah nicht nur die breite Palette des Sports als Chance – er kannte die Idole des HSV ebenso wie die Schauspieler des Ohnsorg-Theaters oder die Mitglieder der niedersächsischen Landesregierung (Elbe-Foto: firo sportphoto/Augenklick).

„Düt und at op Platt“ prägte Manfred Scharfes Schlussphase im NDR als „Weetbescheed“ vom plattdeutschen Lesewettbewerb bis zum Ostfälischen. Nach dem Schlusspfiff als Redakteur ließ er noch fünf Jahre Verlängerung folgen. Der Sport blieb für ihn der rote Faden, in Stadion, Studio oder bis heute beim Tennis.

Von 1996 bis 2004 war er Pressesprecher und Vorstandsmitglied des Stadtsportbunds Hannover – auch hier erinnert man sich mit Respekt und Dankbarkeit an den „Vollblutjournalisten Manfred Scharfe, seine Stimme, seine Professionalität, seine sachliche Analyse, besonders „wenn es mal Knatsch gab“.

„Mit ihm kann man wunderbar diskutieren und viel Spaß haben“

Rita Girschikofsky, langjährige SSB-Präsidentin und DLV-Vizepräsidentin, brachte es auf den Punkt: „Manfred Scharfe war immer sehr korrekt, hatte hohe Sachkenntnis. Mit ihm kann man wunderbar diskutieren und vor allem viel Spaß haben.“

Angesichts so vieler positiver Stimmen bleiben nur zwei Handicaps: rein statistisch beim Golfen in Gleidingen und ganz persönlich beim Versuch, sich mit ihm für eine Reise zum ISTAF zu verabreden. „Sehr gern, aber da haben ‚Biggi’ und ich schon eine Reise nach Dubai gebucht“ oder „Da sind wir in Kroatien“ usw.

Wünschen wir dem Globetrotter, dass er nach Corona bald wieder starten kann, um zum Beispiel die Küche der Toskana zu genießen. Aber auch so wird es dem überzeugten Familienmenschen nicht langweilig werden, schließlich gehört er mit gerade mal 75 zu den (gefühlt) jüngsten und begeistertsten Opas zwischen Hamburg und Hannover.
25.04.2021

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